Nur jede dritte Führungsposition ist weiblich besetzt.
„Kita-Plätze allein lösen das Problem nicht. Das ändert nichts daran, wer die Kinder abholt.“ - Katharina Wrohlich, Expertin für Gender- und Familienökonomie
Was wie ein Befund aus den 1990ern klingt, ist leider eine Zahl aus dem Jahr 2024. Laut Statistischem Bundesamt lag der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland zuletzt bei 29,1 Prozent, was nahezu identisch mit dem Wert von vor zehn Jahren ist. Während andere europäische Länder Fortschritte verzeichnen, tritt Deutschland beim Thema Gleichstellung in Führungsetagen auf der Stelle.
Fortschritt mit angezogener Handbremse
46,9 Prozent der Beschäftigten in Deutschland waren 2024 weiblich, womit die Erwerbstätigkeitsquote der Frauen leicht über dem EU-Durchschnitt liegt. Doch der Schritt von der Mitarbeit zur Führungsverantwortung gelingt weiterhin selten.
Woran liegt das?
Die Ursachen sind bekannt und doch erstaunlich stabil:
- Familiengründung und Teilzeit gelten weiterhin als Karrierekiller. Fast jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit.
- Strukturelle Anreize, wie das Ehegattensplitting oder die steuerliche Begünstigung von Minijobs, fördern das Modell „Zweiterwerbstätigkeit“ statt gleichberechtigter Karriere.
- Und gesellschaftliche Rollenbilder: Wer holt das Kind aus der Kita? Wer tritt beruflich kürzer?
„Thomas“ dominiert die Chefetagen
Ein Blick in die Führungsetagen zeigt, wie langsam sich der Wandel vollzieht. Laut dem Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist zwar die Zahl der Vorständinnen und Aufsichtsrätinnen gestiegen, aber auf niedrigem Niveau.
In den 160 größten börsennotierten Unternehmen war 2025 nur jeder fünfte Vorstandsposten weiblich besetzt.
Die Allbright-Stiftung bringt es auf den Punkt:
„Das durchschnittliche Vorstandsmitglied in Deutschland ist männlich, Jahrgang 1971, westdeutsch und heißt nicht selten Thomas.“
Mit anderen Worten: Vielfalt ist in deutschen Chefetagen noch immer eher Ausnahme als Normalität. Besonders in Krisenzeiten verstärke sich dieser Kreislauf, beobachtet die Stiftung. Dann greifen Unternehmen nicht selten auf „bewährte“ Strukturen zurück, statt Neues zu wagen.
Fehlende Vorbilder und ungleiche Chancen
Ein weiteres Problem: Es fehlt an sichtbaren Vorbildern.
In den meisten Unternehmen dominiert das männliche Geschlecht in den Vorständen, sodass es an positiven Rollenvorbildern für andere Frauen fehlt.
Dabei ist bewiesen: Sichtbare Vorbilder wirken wie Multiplikatoren. Wo Frauen in Führungspositionen erfolgreich sind, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass andere folgen. Doch solange die oberen Ebenen männlich dominiert bleiben, fehlt dieser Sogeffekt.
Strukturelle Bremsen statt fehlendem Willen
Dass viele Frauen können und wollen, steht außer Frage. Doch das System ist nicht darauf ausgerichtet, Gleichstellung zu fördern.
- Steuerpolitik: Ehegattensplitting und Minijob-Regelungen belohnen traditionelle Rollenmodelle.
- Arbeitszeitmodelle: Teilzeit ist selten mit Aufstieg vereinbar.
- Unternehmenskultur: Wer flexible Karrierewege anbietet, gilt noch zu oft als „Sonderfall“.
So entsteht ein Teufelskreis: Weniger Frauen in Führung bedeuten weniger weibliche Vorbilder und das wiederum hält das alte System am Laufen.
Was sich ändern müsste
Der Wandel braucht mehr als Symbolpolitik. Drei Hebel könnten Bewegung bringen:
- Strukturelle Reformen
- Eine Abschaffung oder Reform des Ehegattensplittings sowie eine steuerliche Gleichstellung individueller Einkommen könnten echte Anreize für Vollzeitarbeit und geteilte Verantwortung schaffen.
- Neue Arbeitsmodelle
- Führung in Teilzeit, Jobsharing, hybride Modelle, all das muss von „Sonderfall“ zu Normalität werden.
- Transparenz und Daten
- Klare Karrierepfade, objektive Bewertungskriterien und offene Kommunikation über Gehälter und Beförderungen schaffen Vertrauen und reduzieren Bias.
Also: Deutschland braucht nicht nur mehr Kita-Plätze, sondern neue Denkmuster, faire Strukturen und Mut, alte Modelle zu hinterfragen.